Altersarmut - Zu Besuch bei ....
Barbara S.*
Barbara S. (79 Jahre alt) lebt in einer Umlandgemeinde von Ludwigshafen in einer kleinen Wohnung mit max. 40 qm, die sich in einem Wohnblock aus den 70iger Jahren befindet. Auf den ersten Blick sieht man Frau S. nicht an, dass Sie ergänzende Grundsicherung im Alter erhält. Sie macht einen sehr gepflegten und offenen Eindruck trotz langjähriger Diabeteserkrankung und einem kürzlichen erlittenen Schlaganfall. Ihre kleine Wohnung ist liebevoll eingerichtet und einige schöne Einrichtungsdetails, wie Bilder und Skulpturen, fallen direkt ins Auge.
Frau S. erhält knapp 730 € Rente nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung sowie noch ca. 180 € Grundsicherung. Ihre Miete ist mit ca. 420 € warm vergleichbar günstig in der Region aber trotzdem reicht die Rente ohne Grundsicherung nicht aus, um über die Runden zu kommen.
Seit 6 Jahren wohnt Frau S. in dieser Gemeinde, da eine Tochter ebenfalls dort lebt. Neben Tochter und Enkelin kommt aufgrund ihrer Pflegestufe 2 täglich der ambulante Pflegedienst. Weiterhin hat Frau S. einige Kontakte im Haus, die sie regelmäßig trifft. Bedauerlicherweise kann sie aufgrund ihrer Erkrankungen schlecht gehen, ist wenig mobil und nutzt somit gerne ihren Balkon.
Man könnte das bisherige Leben von Frau S. als wechselvoll mit Höhen und Tiefen bezeichnen: Flucht der Familie am Kriegsende aus Ostdeutschland in den Westen, strenge Erziehung in einem gebildeten Elternhaus, Ausbildung in der Kindererziehung, dann Studium der Sozialpädagogik in Berlin, Heirat des Freundes aus Studentenzeiten, das erste Kind wird Anfang der siebziger Jahre geboren. Der Ehemann von Frau S. entstammte einer vermögenden Familie und übernahm früh Verantwortung in einem Familienbetrieb, der die junge Familie nach Baden-Württemberg verschlug. Lange Jahre arbeitete Frau S. nicht immer versicherungspflichtig im Betrieb mit, erzog die Kinder und es ging der Familie wirtschaftlich sehr gut. Die geschäftliche Lage verschlechterte sich, Altersvorsorge und Rücklagen mussten aufgebraucht werden, die Ehe zerbrach und Frau S. suchte sich mit Ende 40 neue Tätigkeiten, um sich und die Kinder nach der Scheidung zu finanzieren. Sie baute ein Kinderheim auf, war selbständig in der Betreuung von älteren Menschen und hatte lange Jahre ihr Auskommen bis die Diabeteserkrankung sie zwang früher in Rente zu gehen.
Frau S. empfindet sich nicht wirklich als arm, sie ist dankbar für die vielen schönen Momente und Urlaube in früheren Zeiten. Zudem hat sie noch Töchter, die sie emotional und praktisch unterstützen trotz eigener Krankheiten. Sie würde sich aber einen höheren Satz bei dem Grundsicherung (aktuell 2021 446 €) wünschen, da sie u.a. erhöhte Kosten für Medikamente hat, die nicht von der Kasse bezahlt werden. Und Sie hat Angst, dass sich der Strom verteuert, da die Stromkosten nicht in der Berechnung der Grundsicherung enthalten sind. Außerdem findet sie es nicht schön, dass ein älterer Mensch immer wieder seine finanzielle Lage in Anträgen darlegen muss, um weiterhin Hilfe zu erhalten. In ihrem Alter ändert sich ja nichts mehr an ihren Lebensumständen.
Die monatliche Patenschaftshilfe der Horizont Stiftung findet sie grandios. Sie konnte am Anfang gar nicht glauben, dass es eine Organisation gibt, die so etwas macht. Sie nutzt die monatliche Patenschaft in Höhe von 35 € immer für ein kleines Extra, z.B. ihren Duft aus dem Drogeriemarkt zu kaufen oder für ein spezielles Essen mit ihrer Enkelin.
*Name geändert, Bild unterliegt Urheberrecht